Warum sind Frauen häufiger von Rheuma betroffen?

Das biologische Geschlecht einer Person hat Auswirkungen auf die Gesundheit – so auch bei rheumatischen Erkrankungen. Frauen sind deutlich häufiger von rheumatoider Arthritis, Osteoporose oder Kollagenosen betroffen. Noch dazu ist der Krankheitsverlauf bei Frauen im Vergleich zu Männern oft mit stärkeren Schmerzen und selteneren Remissionen, also Nachlassen der Symptome verbunden. Und als wäre das nicht schon genug, sprechen Frauen teilweise auch anders auf Medikamente an. Wir gehen dem Phänomen etwas näher auf den Grund.

 

Geschlechtshormone beeinflussen Immunreaktionen

 

Es gibt viele Hinweise darauf, dass der Hormonspiegel einen großen Faktor bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Rheuma darstellt. Östrogen, das Frauen im Vergleich zu Männern mehr produzieren, kann Autoimmunreaktionen und damit auch rheumatische Erkrankungen und Beschwerden verstärken. Testosteron, welches bei Männern häufiger vorkommt, wirkt hingegen immunsuppressiv, unterdrückt also potentielle Immunreaktionen gegen den eigenen Körper, weshalb Männer tendenziell seltener von Autoimmunerkrankungen betroffen sind. Während der Schwangerschaft produzieren Frauen außerdem verstärkt Progesteron, das die spezifische Autoimmunreaktion hemmt, welche für rheumatoide Arthritis verantwortlich ist.

 

Progesteron und Östrogen haben bei Autoimmunerkrankungen noch eine weitere Eigenschaft: Sie unterdrücken die Aktivität des sogenannten AIRE-Gens, welches eigentlich fehlgeleitete Autoimmunreaktionen wie den Angriff auf die Gelenkinnenhaut bei einer Rheumaerkrankung verhindert. Testosteron hingegen kurbelt die Aktivität dieses Gens an, weshalb Männer hier häufig besser geschützt sind.

 

Chromosomen können Überaktivierung auslösen

 

Viele der für die Immunabwehr relevanten Gene befinden sich auf dem X-Chromosom. Da dieses bei Frauen doppelt vorhanden ist, sind auch diese Gene doppelt verfügbar. Expert*innen gehen davon aus, dass es dadurch schneller zu einer Überaktivierung bei Immunreaktionen kommt. Der Körper hat im Normalfall genug Bedrohungen zu bewältigen, dass ein X-Chromosom damit gut ausgelastet ist. Wenn nun beide X-Chromosomen aktiviert sind, wird der Körper zu wachsam und erkennt Gefahren, wo keine sind. Das führt dazu, dass er eigene Zellen und Stoffe angreift, was auch Rheuma auslösen kann.

 

Schwankende Wirkung bei Medikamenten

 

Frauen sprechen weniger stark auf nicht-steroidale Antirheumatika und Glukokortikoide an als Männer. Außerdem schwankt die Wirkstärke der Schmerzmittel bei Frauen durch zyklusbedingte Veränderungen des Hormonspiegels. In der Folge kann es sein, dass die Schmerzen weniger stark gedämpft werden. Hormonbasierte Verhütungsmittel können die Wirksamkeit ebenfalls beeinträchtigen.

Auch die bei stärkeren Beschwerden häufig verschriebenen Biologika wirken weniger stark bei Frauen. Diese Medikamente hemmen die Immunantworten, was bedeutet, dass das Immunsystem alles, was es als Bedrohung sieht, nicht mehr so konsequent bekämpft. Die schwächere Wirkung bei Frauen bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass sie hier weniger von Nebenwirkungen wie einer erhöhten Infektanfälligkeit betroffen sind.

 

Die Forschung nach den Gründen, weshalb Frauen häufiger von Rheuma betroffen sind und anders auf Medikamente ansprechen, ist noch lange nicht abgeschlossen. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse, die in der Zukunft zu einer besseren Vorbeugung oder Behandlung beitragen können.